Die Kraft der Resilienz

In einer Welt des ständigen Wandels – von disruptiv zu innovativ – sind mental widerstandsfähige Menschen besser darauf vorbereitet, mit Veränderungen und Herausforderungen umzugehen. In der Belegschaft sorgt diese Fähigkeit für den Erfolg. Ohne sie ist die Firma oft zum Scheitern verurteilt. Resilienz ist die Fähigkeit, in Zeiten von Widrigkeiten nach vorne zu springen und Herausforderungen als Wachstumschancen zu sehen.

Resilienz ist ein Begriff , der ursprünglich aus dem Lateinischen stammt und so viel wie nicht anhaftend oder abprallend bedeutet. Die Resilienz funktioniert bei Menschen ähnlich. Sie suchen nicht nur nach Lösungen und gangbaren neuen
Wegen und erholen sich somit erstaunlich schnell von extremen Stresssituationen, sondern gehen sogar gestärkt aus diesen hervor. Veränderungen bringen es oft mit sich, dass Menschen sich an neue Umstände und Abläufe anzupassen haben – und vertraute
Gewohnheiten ablegen zu müssen. Das verursacht meist emotionalen, aber durchaus auch seelischen Schmerz, was wiederum bedeutet, dass sich unser Gehirn nicht darauf fokussiert, die bestmögliche Lösung zu finden, wie mit den neuen Rahmenbedingungen
umzugehen ist. Ängste übernehmen das Kommando, absorbieren Energie und lähmen unser Potenzial, neue Wege beschreiten zu wollen. Das muss nicht sein! Unser Gehirn kann nämlich wie ein Muskel trainiert werden.

Ohne Mensch nix los!

Kann ein Unternehmen auf ein resilientes Team zählen, setzt das Mittel frei. Beispielsweise, um Innovation anzustossen oder um Veränderungsprozesse zu initiieren und diese so effizient und unter Einbezug des ganzen
Potenzials des Teams zu meistern.
Damit eines klar ist – das wichtigste Gut in einer Unternehmung sind die Mitarbeitenden.
Die Begründung ist ganz einfach. Mitarbeitende stellen ihr ganzes Potenzial und nicht lediglich ihre Arbeitskraft zur Verfügung.
Nur so kann sichergestellt werden, dass ein Unternehmen das ganze Potenzial der Belegschaft überhaupt nutzen kann. Die Gleichung ist ganz einfach: Je resilienter die Belegschaft, desto produktiver und innovationskräftiger
ist das Unternehmen.
Wie existentiell das für ein Unternehmen sein kann, lässt sich am Beispiel von Apple illustrieren. Wieso, glauben Sie, waren die Apple-Mitarbeitenden um Steve Jobs Ende der 1990er-Jahre, als die Firma kurz vor dem Bankrott stand, so innovativ? Weil sie resilient waren und ihren Ängsten keine Chance gaben, das Denken und die Handlungsfähigkeit zu lähmen. Nur so war es überhaupt möglich, auf das in dieser prekären Situation dringend zu bedienende Gaspedal zu treten und technologische Innovationen praktisch am Laufband abzuliefern. Das Ergebnis ist hinlänglich bekannt: Der Technologiekonzern aus Cupertino notiert inzwischen mit einem Börsenwert von über einer Billion US-Dollar.
Investiert ein Unternehmen also in die Stärkung der Resilienz der Belegschaft, wird sich das bezahlt machen. Die schnellsten Maschinen und die agilsten Prozesse taugen wenig bis gar nichts, wenn Mitarbeitenden die nötige Motivation und Einsicht fehlt, sich
darauf einzulassen und damit zu arbeiten.
Sie gehen sicherlich mit mir einig, dass auch Sie als Einkaufsprofi bei entsprechender Motivation Verhandlungen mit Lieferpartnern zielgerichtet angehen und Sie wichtige Einkaufsgespräche unverkrampft und locker führen können.

Mutter Teresa und Resilienz

Ein interessanter Fakt ist, dass resiliente Mitarbeitende, gemäss diversen Studien, auch seltener krank sind. Nicht nur das – sie springen auch jederzeit dort ein, wo Not am Mann oder an der Frau ist. Wer hilfsbereit ist, zeigt Resilienz und erhöht diese im gleichen Atemzug stetig. Nun, Sie werden sich sagen: «Wer immer nur gibt, dem wird auch vitale Energie entzogen.» Durchaus nachvollziehbar.
Aber – erinnern Sie sich noch an Mutter Teresa? Die mazedonische Ordensschwester und Missionarin wurde durch ihre Arbeit mit mit Armen, Obdachlosen und Kranken in Indien weltbekannt und 1979 gar mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Diese
Frau wählte Hingabe und Hilfe als ihr Leitmotiv im Leben und zeigte trotz einer allem Anschein nach unlösbaren Aufgabe nie Anzeichen von Depression.
Übertragen ins Geschäftsleben bedeutet das – solange Sie in Ihrem Kompetenzbereich helfen, wird das Risiko, in eine Depression zu fallen, relativ gering sein. Handkehrum steigt das Risiko einer Depression an, wenn sich Ihre Anstrengungen für Sie nicht
mit Ihren Leitmotiven vereinbaren lassen und Sie ausserhalb Ihres Kompetenzbereichs helfen.

Das Unmögliche denken
Lassen Sie uns mal nachdenken, was passieren würde, wenn Sie nicht nur Ihre Produktionsanlagen so ausstatten, dass diese möglichst zukunftssicher produzieren können, sondern auch Ihre Mitarbeitenden (mit einem Bruchteil des Investitionsvolumens für
den neuen Maschinenpark) ihre Aufgaben nach dem neusten Stand der arbeitspsychologischen Erkenntnisse erledigen könnten.
Sicher hätten wir dann mehr Motivation, weniger Absenzen, gesündere Mitarbeiter und vor allem mehr Einsatz, weniger hängende Köpfe am Sonntagabend, weil die fünf härtesten Tage der Woche plötzlich den innerfamiliären Frieden nicht mehr belasten.
Auch die nicht besetzten Kaderposten, die eigentlich keiner so richtig will, wären plötzlich wieder ein Thema – für Arbeitnehmende, welche die Extrameile gehen möchten.

Es gibt nichts Gutes, ausser man tut es

Wenn Sie nun sagen, dass das ja alles schon längst bekannt ist, dann gebe ich Ihnen gerne recht. Die Bedürfnispyramide hat der amerikanische Psychologe Abraham Maslow bereits 1943 erstmals in einer wissenschaftlichen Schrift erwähnt. Leider hapert es jedoch an der Umsetzung dieser volks- und betriebswirtschaftlich relevanten Erkenntnisse. Die Maslow’sche Pyramide illustriert eigentlich in anschaulicher Weise: Solange die grundlegenden existentiellen Bedürfnisse, beispielsweise nach Sicherheit, nicht erfüllt sind, kann kein Appetit nach mehr erwachen.
Sind diese Bedürfnisse gedeckt, wird die Innovation künftig von Ihren Mitarbeitenden generiert werden.

Kultur und Strategie bedingen einander

Einführend habe ich Apple als leuchtendes Beispiel erwähnt. Sicher erinnern Sie sich auch noch an einen früheren Apple-Marktbegleiter aus dem hohen europäischen Norden. Nokia war vor rund zwanzig Jahren der führende Hersteller von Mobiltelefonen. Ein wohl nicht zu vernachlässigender Grund für den Niedergang des skandinavischen Telekomriesen war die fehlende Innovationskraft.
Resiliente Mitarbeitende führen zu einer resilienten Unternehmenskultur. Ist die Firmenkultur erst einmal resilient, verleiht sie auch der Strategie Flügel. Die Belegschaft und die Strategie bilden das Fundament des Unternehmens. Doch nur deren Umsetzung mit der Belegschaft macht das Unternehmen erfolgreich. Und der Weg zum Erfolg lässt sich mit einer resilienten und voll mit einbezogenen Belegschaft deutlich beschwerdefreier und schneller beschreiten.

Author: Alessandro Beretta
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